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Artenreiches Sachsen:Schutzprogramme zeigen Wirkung

Die Bemühungen um den Artenschutz in Sachsen zeigen Erfolge. Doch es bleibt noch viel zu tun.

26.08.2024,Sachsen,Eibenstock:Das Luchsmännchen Anton sprintet bei seiner Auswilderung im Forst bei Eibenstock mit seinem GPS-Halsband in den Wald.
(Hendrik Schmidt/dpa)

Manche Erfolge der sächsischen Biodiversität sind nur auf den ersten Blick klein. Dazu zählt der Scharlachkäfer,der 2022 zum ersten Mal im Freistaat nachgewiesen wurde. Auch die Gabel-Azurjungfer - eine mediterrane Libellenart - gehört inzwischen zu Sachsens Fauna. Bei Wildbienen gibt es gleichfalls immer wieder Neufunde. Beim Schutz von Insekten liegt der Fokus auf Maßnahmen,die den Lebensraum einer Vielzahl von Arten erhalten.

Der Rückgang von Insekten in den vergangenen Jahrzehnten treffe zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Sachsen zu,sagt Karin Bernhardt,Sprecherin des Landesamtes für Umwelt,Geologie und Landwirtschaft. "Es gibt aber auch Arten,die von den aktuellen klimatischen Bedingungen profitieren und ihr Verbreitungsgebiet nach Norden ausdehnen."Als Beleg führt sie Libellenarten wie die Feuerlibelle und den Kleinen Blaupfeil an.

Basis zur Erhaltung der Artenvielfalt ist das Programm "Sachsens Biologische Vielfalt 2030 – Einfach machen!". Es hat zum Ziel,bis 2030 eine belegbare Trendumkehr hin zu positiven Entwicklungen der Biodiversität zu erreichen. Bis 2050 sollen alle "Schutzgüter",die aktuell gefährdet sind und deren Bestand sich mit Maßnahmen verbessern lässt,in "günstige Erhaltungszustände"versetzt werden. Das betrifft neben vielen Tierarten auch Pflanzen. Im Kern geht es darum,Lebensräume zu bewahren und Populationen zu stützen.

Sachsen hat seit 1990 viel Geld in den Artenschutz gesteckt. Genau lässt sich die Summe gar nicht ermitteln,denn an den Projekten sind verschiedene Behörden und Partner beteiligt. Neben Geld aus dem Landeshaushalt fließen auch Mittel des Bundes und der EU. Eines der bekanntesten Landesprogramme betrifft die Wiederansiedlung des Lachses in der Elbe und anderen Flüssen. Dafür werden jedes Jahr etwa 50.000 Euro ausgegeben. Auch Feldhamster,Weißstorch,Luchs oder Birkhuhn bekommen finanzielle Hilfe.

Für Artenschutz ist ein langer Atem erforderlich

In der Regel stellen sich die Erfolge nicht sofort ein. Für Artenschutz ist ein langer Atem erforderlich. Auch Rückschläge gibt es. Die Jahrhundertflut der Elbe 2002 bremste die Wiederansiedlung der Würfelnatter in der Elbe zeitweise aus. 1999 und 2000 wurden bei Meißen 152 dieser Reptilien ausgesetzt,darunter viele Jungtiere. 2008 zählte man nur noch 15 bis 20. Laut Landesamt hat sich der Bestand aktuell auf 100 bis 200 Würfelnattern vergrößert.

Auch Auflagen der europäischen Wasserrichtlinie zeigen Effekte. So konnten sich Fischarten wie Barbe,Elritze und Rapfen ausbreiten oder verlorenen Lebensraum wiederbesiedeln,indem die Durchgängigkeit der Fließgewässer etwa im System der Mulde hergestellt wurde. 1993 zählte man in der Elbe in Sachsen 27 Fischarten,heute sind es 54. Auch der Lachs kehrt inzwischen im Herbst jedes Jahres in seine sächsischen Geburtsgewässer zurück.

Gegen manche negative Entwicklung scheint kein Kraut gewachsen. So musste auch Sachsen eine erhebliche Abnahme der Bestände beim Europäischen Edelkrebs hinnehmen. Grund ist die zunehmende Ausbreitung mehrerer nordamerikanischer Flusskrebsarten,die Träger der Krebspest sind - einer tödlichen Gefahr für europäische Krebse. Die Vorkommen an Steinkrebs sind in Sachsen vermutlich sogar erloschen. Ein letzter Nachweis stammt von 2019.

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Auch die im Vogtland beheimatete Flussperlmuschel braucht menschlichen Beistand und bekommt ihn über ein bundesweites Programm. Die Muschel kann mehr als 100 Jahre alt und 15 Zentimeter lang werden. Allerdings wächst sie äußerst langsam. Nach fünf,sechs Jahren misst sie erst einen Zentimeter. Die Muschel braucht sauberes,sauerstoffreiches Wasser. Heute ist sie durch Nährstoffeinträge und den Klimawandel bedroht. Aktuell gibt es noch rund 100 Alttiere und 2.500 halbwüchsige Muscheln aus Nachzucht.

Doch der Blick richtet sich nicht nur auf die Fauna. Dem Landesamt zufolge gibt es in Sachsen mehr als 2.200 wildwachsende Farn- und Samenpflanzenarten. 360 von ihnen gelten als extrem selten oder unmittelbar vom Aussterben bedroht. In der Oberlausitz wurden Bestände von Wiesen-Siegwurz und Arnika vergrößert. Das Umweltzentrum Dresden macht sich unter anderem um heimische Orchideen verdient,der Botanische Garten Schellerhau um Enzian.

Ziel sind vitale,überlebensfähige Populationen

"Das Ziel solcher Artenschutzprojekte muss sein,dass wieder vitale,überlebensfähige Populationen entstehen",sagt Karin Bernhardt. Das Gefährdungspotenzial habe nicht abgenommen. Mit dem Klimawandel sei ein weiterer Faktor hinzugekommen:"Für den Erhalt der Biodiversität sind also auch in Zukunft intensive Schutzbemühungen notwendig."

Angesichts leerer Kassen im Lande sieht Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) manche Programme auch kritisch. Mit dem Wolf und dem Birkhuhn habe Sachsen eigentlich schon genug zu tun. "Da hätte man nicht unbedingt im Jahr der Landtagswahl 2024 noch den Luchs auswildern müssen."

Sachsen stellt Luchs-Programm auf den Prüfstand

Sachsen prüft aktuell den Fortgang seines Luchs-Programms und schaut,unter welchen Bedingungen sich eine sogenannte Trittsteinpopulation überhaupt in sächsischen Wäldern entwickeln lässt. Ob alle der geplanten Tiere von hier aus wieder in die Natur kommen,hinterfragt der Minister. "Mir wäre es lieber,wenn die Luchse aus dem Harz oder dem Bayerischen Wald ganz natürlich einwandern."Doch das Verhalten der Tiere setze Grenzen.

Dass man im Erzgebirgsland Fichtenwald rodete,damit das Birkhuhn sicher landen kann,hält von Breitenbuch für übertrieben. In manchen Gegenden habe man auf die Gegebenheiten geachtet. "Aber dass man bei Johanngeorgenstadt 20 Jahre alte Bäume für das Birkhuhn fällte,hat die Menschen dort verärgert."Hier wünsche er sich mehr Augenmaß.

Dem Minister geht es nicht nur um das Auswildern an sich. Jedes Mal würden um die Tiere herum ganze Netzwerke mit Personal entstehen:"Auch das hinterfrage ich."Er trete für einen ausgewogenen Artenschutz ein,der bestehende Interessenlagen bestenfalls verbinde und ausgleiche. Bei einigen Tieren gebe es zudem europarechtliche Vorgaben,und Artenvielfalt gehöre zur sächsischen Landschaft. Da sei man zum Schutz der Tiere verpflichtet.

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