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Fernsteuerung statt Kapitän – so soll die Binnenschifffahrt klimafreundlich werden

Ein Schiff,ferngesteuert aus dem Büro,schiebt 2500 Tonnen Kohle übers Wasser – klimafreundlicher als Lkw und Zug. Warum das kein Technik-Gag ist,sondern die letzte Chance für eine Branche,die Personal sucht und beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle spielt.

04.04.2025,Rheinland-Pfalz,Bingen:Ein Binnenschiff fährt auf dem Rhein bei Bingen am Mäuseturm vorbei (Luftaufnahme). Nach einer langen Trockenphase liegt der Wasserstand des Rhein unter seinem normalen Niveau. (Boris Roessler/dpa)
Ein Binnenschiff fährt auf dem Rhein bei Bingen am Mäuseturm vorbei (Luftaufnahme) – künftig vielleicht ferngesteuert (Archivbild)
(Boris Roessler/dpa)

Gemächlich schippert die "Niedersachsen 2"über den Elbe-Seitenkanal. An Bord:2500 Tonnen Kohle aus dem Hamburger Hafen für ein Kraftwerk in Berlin. Klingt unspektakulär. Aber wo ist eigentlich der Kapitän? Der sitzt 400 Kilometer entfernt in einem unscheinbaren Bürogebäude in Duisburg und sieht das Schiff,das er gerade steuert,nur auf dem Bildschirm.

Die "Niedersachsen 2"ist das erste Schiff,das für ein halbes Jahr die Genehmigung der deutschen Behörden bekommen hat,Waren ferngesteuert über einen Teil des nordwestdeutschen Kanalnetzes zu transportieren. An der Technik dafür wird in der Branche seit Jahren gearbeitet. Sie gilt als wichtiger Baustein gegen den großen Personalmangel in der Binnenschifffahrt - und damit für die Zukunftsfähigkeit der vergleichsweise klimafreundlichen Logistik auf den Wasserstraßen.

Binnenschiffer-Job hat Image-Problem

"Die Fernsteuerung von Schiffen ist nicht irgendwie "nice to have"- damit entscheidet sich wahrscheinlich,ob wir 2030 noch in der Lage sein werden,die gleiche Anzahl an Schiffen fahren zu lassen wie heute",sagt Steffen Bauer,Chef der HGK Shipping in Köln,die die "Niedersachsen 2"betreibt.

Denn der Job als Binnenschiffer hat in der jungen Generation ein Image-Problem:Zwei Wochen am Stück mit dem Schiff unterwegs zu sein,dort auch zu leben und nicht mal eben von Bord zu können,hat mit moderner Work-Life-Balance wenig zu tun.

Durch die Fernsteuerung könnte der Kapitänsberuf teilweise zum Bürojob werden. Man wäre nach Feierabend schnell bei der Familie oder im Sportverein. Sogar Teilzeit-Modelle wären möglich. "Beim Werben um qualifizierte Arbeitskräfte ist dies ein wirkungsvoller Hebel,um die Attraktivität des Berufsbildes zu erhöhen",sagt Bauer.

Zehn Bildschirme und eine gute Mobilfunkverbindung

Der Schiffsführer der "Niedersachsen 2"sitzt in Duisburg,im Büro des belgischen Technologie- und Serviceanbieters Seafar. Radar,Funk,Steuerknüppel - der Arbeitsplatz sieht aus wie auf einem richtigen Frachtschiff. Mehr als zehn Bildschirme und eine Mobilfunkverbindung machen es möglich,Schiffe von dort aus zu steuern.

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Aus Sicherheitsgründen ist immer noch die reguläre Mannschaft an Bord. Perspektivisch würde aber ein Schiffsführer an Bord reichen - derzeit sind es oft noch zwei,um die vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten zu können.

Belgien und Niederlande sind Vorreiter

In Belgien und den Niederlanden ist das System seit Jahren im Einsatz. Auch in Deutschland dürfen HGK und Seafar seit gut einem Jahr testweise Schiffe von Rotterdam vorbei an Düsseldorf und Köln bis nach Bonn fernsteuern - allerdings immer nur mit Einzelgenehmigungen der belgischen Behörden.

Wenn bei dem aktuellen Test auf dem Elbe-Seitenkanal nun alles gut läuft,hofft HGK-Shipping-Chef Bauer,dass die ersten ferngesteuerten Schiffe in Deutschland 2027 in den Regelbetrieb gehen können.

Reederei entwickelt eigenes System

Auch andere in der Branche sind an dem Thema längst dran. Die Reederei Rhenus hat gemeinsam mit Forschenden am Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg ein ganz ähnliches System entwickelt wie Seafar. "Wir haben entschieden,uns nicht bei einem Dienstleister zu bedienen,sondern die technischen Herausforderungen selbst anzugehen",sagt Herbert Berger,Geschäftsführer von Rhenus Schiffsmanagement.

Bis 2030 soll bei Rhenus ein eigener Fahrstand für die Fernsteuerung der Flotte entstehen,gleichzeitig sollen immer mehr Schiffe mit der nötigen Technik ausgerüstet werden. Ziel sei es,Schiffe eines Tages auf dem gesamten europäischen Wasserstraßennetz auch aus der Ferne steuern zu können,sagt Berger. "Wir denken,dass wir damit in der Zukunft für unsere Schiffsführer weitere attraktive Arbeitsplätze schaffen."

Minister:Fernsteuerung als "Game Changer"

Die Politik hat großes Interesse daran,dass das Projekt gelingt. Die Binnenschifffahrt sei der "Hidden Champion"der Logistik,sagt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU). "Fakt ist,dass die Binnenwasserstraße der einzige Verkehrsträger mit freien Kapazitäten ist,den wir in Deutschland haben."

Binnenschiffe würden gebraucht - und die Fernsteuerung könnte angesichts des Personalmangels zu einem "Game Changer"in der Branche werden,glaubt der Minister.

Zustimmung der Behörden fehlt

Von der Sicherheit der Systeme ist Professor Bettar el Moctar,Leiter des Instituts für Autonome Maritime Systeme in Duisburg,jedenfalls überzeugt. "Was die technische Zuverlässigkeit angeht,könnte man den Ausbau der Fernsteuerung von Schiffen deutlich forcieren",sagt er. Vor allem die Behörden seien jetzt gefragt. "Die Technologie ist da. Was fehlt,ist die Zulassung."

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