
Vorsichtig leeren David Singer,Ole Henning und Katja Lorenz von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) an diesem Vormittag Insektenfallen,die sie im Wald in Glücksburg an der Flensburger Förde aufgehängt und in den Boden eingelassen haben. Sie sind auf der Suche nach Käfern,Spinnen und Wanzen. Der Inhalt der Fallen wird samt Laub und anderen Dingen,eingesammelt "Wir sacken alles ein. Die kleinsten Spinnen und Käferchen können auch in den Blättern hängen",sagt Singer.
Singer ist Co-Koordinator eines besonderen Projekts. Gemeinsam mit den Landesforstbetrieben in Niedersachsen,Hessen,Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein hat die NW-FVA ein großangelegtes,mehrjähriges Biodiversitätsmonitoring in Wäldern gestartet.

Untersuchungsflächen von der Ostsee bis zum Odenwald
An fast 600 Standorten in Landesforsten der vier Bundesländer werden in den kommenden Jahren umfangreiche Daten zu Vorkommen und Häufigkeit von bestimmten Artengruppen sowie zur Waldstruktur und zum Mikroklima gesammelt werden. Jedes Jahr werden knapp 120 Standorte untersucht.
"Das Coole an unserem Ansatz ist auch,dass wir nicht nur in einem Nationalpark regional unterwegs sind",sagt Singer. Sondern von der Ostsee bis nach Südhessen im Odenwald und von der niederländischen Grenze bis nach Haale an der Saale. Das sind rund 600 Kilometer in Nord-Süd-Richtung und noch einmal 400 Kilometer von Westen nach Osten.
"Hier in Schleswig-Holstein ist das Klima ganz anders als in Sachsen-Anhalt im Regenschatten vom Harz",sagt Singer. Der Odenwald ist ein gebirgiger Wald,aber relativ warm. In der Rhön ist es kalt. "Wir haben Flächen tief im Wald eingebettet und Flächen nah am Waldrand,wo auch der Übergang zum Offenland,zum Agrarland gegeben ist."Neben unbewirtschafteten Wäldern werden auch Wirtschaftswälder untersucht.
Vergleich mit Wirtschaftswäldern für Landesforsten wertvoll
Die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten erhoffen sich auch Erkenntnisse für die Wirtschaftswälder aus dem Monitoring – insbesondere auch mit Blick auf den Klimawandel. Denn man werde ja noch einiges erleben mit Starkregen,Dürre und ähnlichem,sagte der Abteilungsleiter Naturschutz bei den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten,Udo Harriehausen. Der Vergleich Wirtschafts- und Naturwald sei sehr wertvoll. In Schleswig-Holstein sei man schon sehr weit mit naturnaher Waldbewirtschaftung,man entwickle sich aber gerne noch weiter.
Insekten sollen nicht extra angelockt werden
Während des Monitorings erfassen die Expertinnen und Experten der NW-FVA sehr viele Daten zu Vorkommen und Häufigkeit verschiedener Artengruppen sowie zur Waldstruktur und zum Mikroklima. Von besonderem Interesse für die Expertinnen und Experten sind Pilze,Totholzkäfer,Laufkäfer,Wanzen und Spinnen,die im Ökosystem Wald wichtige Funktionen übernehmen.
Als Fanglösung füllen Singer und seine Mitstreiter Kupfersulfat in die Fallen. Es gebe auch andere,mit Ethanol beispielsweise,sagt Singer. Das habe dann aber eine Lockwirkung,und die werde nicht gewollt. "Weil wir nicht aus ein paar hundert Metern entfernt die Käferarten,die das dann riechen können,extra hier herziehen wollen. Sondern wir wollen gucken,was ist hier konkret los."Einmal im Monat werden die Fallen geleert. Aufgebaut wurden sie Ende März – Ende Juli werden sie wieder abgebaut.
Bei der Vogelstimmenerfassung hilft künstliche Intelligenz
Zusätzlich werden Vögel und Fledermäuse mit Audiologgern erfasst. An einen Baum im Untersuchungsgebiet im Glücksburger Wald hängt dafür ein kleines Gerät. Rund um die Uhr erfasst es alle zehn Minuten für 30 Sekunden die Umgebungsgeräusche. Mithilfe künstlicher Intelligenz werden später die Vogelstimmen rausgefiltert und bestimmt.
Nun wird das Gerät aus dem Glücksburger Wald umprogrammiert,um im Juli Fledermausgeräusche aufzunehmen. Man erwarte viele neue Erkenntnisse insbesondere über die räumlichen und zeitlichen Aktivitätsmuster von Vögeln und Fledermäusen.
Zehn Prozent der Landeswälder sind Naturwälder
Die Landesforstbetriebe in Niedersachsen,Hessen,Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben rund zehn Prozent ihrer Waldfläche einer natürlichen Entwicklung überlassen. Hier gilt die Regel,"Natur Natur sein lassen",wie die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten mitteilen.
Doch was bringt die Ausweisung von Naturwäldern für die Artenvielfalt? Das zu erfahren,sei Ziel des Monitorings,sagt Singer. "Uns ist primär wichtig zu erfahren,was die Aus-der-Nutzungnahme für die Biodiversität im Wald bringt."Welche Arten,sind häufiger,welche kommen mit der Zeit häufiger vor,welche Vögel fühlen sich hier wohler?
Doch um die Ergebnisse einordnen zu können,werden auch Flächen in Wirtschaftswäldern untersucht. Sonst bemerke man zwar im Verlauf der Jahre vielleicht mehr Arten in den Naturwäldern,sagt Singer. Aber das könne ja auch am Klimawandel liegen oder daran,dass weniger Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden. "Wir müssen den Effekt trennen können."